In Deutschland gelten rund 3 Mio. Menschen als von Ernährungsarmut betroffen – davon auch viele Seniorinnen und Senioren. Das heißt, diese Menschen haben nicht ausreichend Geld, sich geeignete Nahrungsmittel zu kaufen. Gerade im Alter kann dies dazu führen, dass sich die Gesundheit durch Mangelernährung verschlechtert. Auch die soziale Teilhabe ist dadurch eingeschränkt. Dennoch wird das Thema Ernährungsarmut bisher in Deutschland (auch politisch) vernachlässigt und die Datenlage ist im Vergleich zu anderen Ländern mangelhaft. Beides bemängeln Expert*innen bereits seit Jahren.
Dass hier Handlungsbedarf besteht, griffen nicht zuletzt der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik, Ernährung und gesundheitlichen Verbraucherschutz (WBAE) der Bundesregierung und der Bürgerrat Ernährung in ihren Forderungen auf. Aktuell bestätigt wurde die Problematik nun auch in einer Studie des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv): Für rund die Hälfte der Befragten sind frisches Obst und Gemüse zu teuer. Die Mehrheit der Befragten befürwortet staatliche Maßnahmen, die eine gesundheitsförderliche Ernährung für alle ermöglichen.
Die schlechte Datengrundlage verbessern soll das neue Forschungsvorhaben „Soziale Aspekte der Ernährung: Ursachen, Determinanten und Auswirkungen von Ernährungsarmut in Deutschland sowie politische Handlungsoptionen“ (SEED). Mit Förderung vom Bundesministerium für Landwirtschaft, Ernährung und Heimat (BMLEH) wird das Projekt von der Universität Hohenheim in Kooperation mit GESIS – Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften – von Juni 2025 bis Mai 2028 durchgeführt. Es besteht aus drei Teilstudien und unterstützt die Ernährungsstrategie der Bundesregierung: Ziel ist es mit den so gewonnenen Daten den Wissensstand über Ernährungsarmut in Deutschland zu verbessern.
Ältere Menschen, die in Armut leben, haben zudem kaum Möglichkeiten ihre Situation zu verbessern. Das Projekt „ELSinA – Ernährungs- und Lebenssituation von Seniorinnen und Senioren in Armut“ setzt hier an. Ziel ist es die Lebensverhältnisse von Menschen ab 65 Jahren mit wenig Geld besser zu verstehen und so einen Aktionsplan zu entwickeln, um die Ernährungs- und Lebenssituation von älteren Menschen in Armut zu verbessern.
Einen praxisnahen Ansatz, verfolgt das IN FORM-Projekt „Gesund und nachhaltig essen mit kleinem Budget – gemeinsam Ernährungsarmut begegnen“. Gemeinsames Ziel der Europa-Universität Flensburg und der Verbraucherzentralen der Bundesländer ist es, Verbraucher*innen dabei zu unterstützen, sich auch mit wenig finanziellen Ressourcen gesundheitsförderlich und nachhaltig zu ernähren. Hierzu stellen sie Medien für Multiplikator*innen bereit, aber auch Workshop-Angebote und Infomaterial für Verbraucher*innen. In der digitalen Austauschreihe „Tischgespräche“ gibt es regelmäßig Input und praxisorientierte Diskussionen zu verschiedenen Teilaspekten der Ernährungsbildung und deren methodischer Umsetzung. Es werden auch Materialien präsentiert, die für die Ernährungsbildung verwendet werden können. So zum Beispiel das Quiz „Hopp oder Top?“ der Verbraucherzentrale Bayern mit Fragen zum Thema Lebensmittelverschwendung.
Auch die Vernetzungsstellen in den Bundesländern tragen aktiv dazu bei, die Verpflegungsqualität und -teilnahme zu verbessern – von Kita über Schule bis zur Seniorenernährung. Gerade ein niedrigschwelliges gemeinschaftliches (und gleichzeitig gesundheitsförderliches) Essensangebot bietet eine Chance für Teilhabe im Alltag – für Heranwachsende und für ältere Menschen gleichermaßen.
Die Vernetzungsstellen Kita- und Schulverpflegung sowie für Seniorenernährung in Brandenburg werden im Rahmen von Projektförderungen aus öffentlichen Mitteln finanziert. Eine verstetigte Förderung könnte diese wichtige Arbeit dauerhaft sichern.
In Brandenburg droht hier jedoch eine Lücke: Die Förderphase für die Vernetzungsstelle Seniorenernährung läuft zum Ende 2025 aus. Eine landesgesicherte Basis-Projektfinanzierung ab 2026 kann nicht zugesagt werden . Für die Vernetzungsstelle Kita- und Schulverpflegung Brandenburg ist die Basisfinanzierung bis Ende 2027 gesichert.
Weitere Informationen:
Verbraucherzentrale Bundesverband: Studie: Mehrheit befürwortet politische Maßnahmen für eine gesündere Ernährung
Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE): Studie analysiert Situation zur Ernährungsarmut in Deutschland
Verbraucherzentrale: Gesund, nachhaltig und günstig essen – wie geht das?
Europa-Universität Flensburg: Gesund und nachhaltig essen mit kleinem Budget – gemeinsam Ernährungsarmut begegnen
Europa-Universität Flensburg: KlimaFood-Materialien
Vernetzungsstelle Brandenburg: Infomaterial zum Bildungs- und Teilhabepaket (BuT) – inkl. Infoblätter in verschiedenen Sprachen und einem Aushang für Kitas und Schulen
Bürgergutachten – Empfehlungen des Bürgerrates „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ an den Deutschen Bundestag
Max Rubner Institut (MRI): Leben und Essen mit wenig Geld im Alter. Forschung zum Mitmachen will Verbesserung anstoßen
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